Bei Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems (PNS). Dies ist das Nervensystem Außerhalb des zentralen Nervensystem (Gehirn, Rückenmark). Man könnte diese Krankheit auch als Viel-Nerven-Krankheit bezeichnen. Die Polyneuropathie äußert sich zuerst häufig durch beispielsweise Kribbeln, Sensibilitätsstörungen und Brennen.
Außerdem kommt es zu einer veränderten Wahrnehmung von Reizen. So spüren betroffene Patienten Kälte- oder Wärmereize, bzw. Verletzungen an betroffenen Stellen erst sehr spät. Später kommt es zu Schmerzen.
Häufigster Auslöser sind Alkoholismus, Urämie (schwere Nierenfunktionsstörung) und Diabetes mellitus. In sehr seltenen Fällen kann eine Polyneuropathie angeboren sein oder von einer Infektionskrankheit, von Umweltgiften oder von Vitaminmangel ausgelöst werden. Alle Ursachen zerstören auf unterschiedliche Art periphere Nerven. So gehen bei fortgeschrittenen Diabetes mellitus die Nerven zugrunde, da sie nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Dies liegt an der Makro- bzw. Mikroangiopathie, durch die die versorgenden Blutgefäße zerstört werden. Bei einer Polyneuropathie, die durch Alkoholismus entsteht wird dagegen das Rückenmark geschädigt, wodurch die Reizleitung des peripheren Nervensystems gestört wird.
Ursachen von Polyneuropathien
Die Ursachen für eine Polyneuropathie sind ausgesprochen vielfältig. Es sind etwa 250 Auslöser bekannt, die sich außerdem nicht immer mit völliger Sicherheit bestimmen lassen können. Als häufigste Auslöser sind die erworbenen Polyneuropathien bekannt. Diese werden hauptsächlich durch Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch und Urämie ausgelöst.
Die diabetische Polyneuropathie tritt hauptsächlich in den Beinen auf. Sie wird ausgelöst durch krankhafte Veränderungen der kleinsten Gefäße, die die Nerven mit Blut versorgen. Außerdem wird der Sorbitstoffwechsel gestört. Bei der alkoholtoxischen Polyneuropathie kommt es zu Fehlernährung und Vitaminmangel. Diese führt zu einer Schädigung des sogenannten Vorderhorns auf Rückenmarkebene. Aufgrund einer urämischen, bzw. nephrogenen Polyneuropathie kommt es zu Ablagerungen harnpflichtiger Substanzen, die zu Schädigungen führen. Betroffen sind Personen mit einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz und Dialysepatienten.
Sehr selten sind die Auslöser Infektionskrankheiten wie Borreliose, Masern, Herpes, HIV, Diphterie, Lepra und Malaria. Es besteht die seltene Möglichkeit, sich eine Polyneuropathie durch Medikamenteneinnahme, Vergiftungen (durch beispielsweise Thallium, Arsen, Blei), Vitamin-B-Mangel und Tumorerkrankungen zu zuziehen.
Ausgesprochen selten sind die angeborenen Polyneuropathien. Zu dieser Gruppe gehört die familiäre Amyloidneuropathie. Bei dieser lagern sich Amyloide (veränderte Proteine) in Gewebe, wie Herz, Nieren, Lunge und Nerven ab. Durch den vererbbaren Enzymdefekt chromatische Leukodystrophie kommt es zu einer Störung des Fettstoffwechsels in peripheren und zentralen Nervensystem. Einige Erkrankungen können dem Krankheitsbild der Polyneuropathie sehr ähnlich wirken. Deshalb muss bei der Diagnose ausgeschlossen werden, dass es sich nicht um eine andere Schädigung, wie etwa ein Bandscheibenvorfall, handelt.
Symptome einer Polyneuropathie
Besonders betroffen sind Beine und Füße. Etwas seltener tritt die Polyneuropathie in Händen und Armen auf. Es handelt sich dabei stets um Störungen in der Wahrnehmung, in der Bewegung, in der Muskelkraft oder der inneren Organe. Die Symptome sind vielfältig und können auch überschneidend auftreten.
Bei der Polyneuropathie kommt es zu Symptomen, wie
- Sensibilitätsstörungen (Kribbeln in den Beinen),
- Taubheitsgefühl,
- Pelzigkeitsgefühl,
- Brennen in betroffenen Körperteilen,
- Wadenkrämpfe,
- Muskelzucken,
- Bewegungsunruhe,
- Muskelschwund,
- Muskelschwäche,
- Gangunsicherheit,
- fehlendes Temperaturempfinden
- und schmerzlose Wunden.
Ist neben dem peripheren Nervensystem auch das vegetative Nervensystem beteiligt, so spricht man von einer autonomen Polyneuropathie. Diese Äußert sich durch Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Übelkeit (aufgrund einer Blutdruckregulationsstörung), Magenentleerungsstörung, beeinträchtigte Darmbewegung (Durchfall bzw. Verstopfung), gestörte Blasenentleerung und Impotenz. Bei der Familiären Polyneuropathie kann es neben dieser Symptome auch zum Karpaltunnelsyndrom kommen. Bei der chromatischen Leukodystrophie kommt es unter anderem zu spastischen Lähmungen, Epileptische Anfällen, Gangstörungen und Erblindung.
Für die Diagnose von Polyneuropathie sind Aussagen über familiär bestehende Nervenerkrankungen, eine eventuelle Diabetes-Erkrankung, einen bestehenden Alkoholmissbrauch, eingenommene Medikamente und durchlittene Infektionskrankheiten wichtig. Außerdem werden neurologische Untersuchungen durchgeführt, um Muskelkraft, Reflexe und Sensibilität zu prüfen. Durch Differenzialdiagnostik (Laboruntersuchungen) sollen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Zur Diagnose dienen außerdem Blutzuckerkontrollen und Blutuntersuchungen zur Erkennung von Infekten (Borreliose, HIV, Herpes, Masern, Diphtherie). Fortgeschritten Lebererkrankungen, Mangelernährung, Gerinnungsstörungen, Eiweißmangel und erhöhte Leberwerte sprechen für eine alkoholische Polyneuropathie. Durch Urinuntersuchungen können Spuren von Giften, wie Arsen, und Thallium nachgewiesen werden.
Da die Ursachen so verschieden sind, sind auch die Therapiemaßnahmen verschieden und immer abhängig vom auslösenden Faktor für die Polyneuropathie. Infektiöse Polyneuropathien werden stets mit Antibiotika behandelt. Um die fortschreitende Aufnahme von Alkohol zu vermeiden wird bei einer Alkoholvergiftung, der Magen gespült oder Aktivkohle verabreicht. Besteht eine Vergiftung, so wird versucht diese durch Bindemittel einzuschränken. Um eine diabetische Polyneuropathie zu behandeln muss der Blutzucker optimal eingestellt werden. Somit kann ein Fortschreiten der Erkrankung vermieden werden. Gegen die durch Alkoholmissbrauch herbeigeführte Polyneuropathie ist die erste Maßnahme der völlige und sofortige Verzicht auf Alkohol. Zur Förderung der Regeneration von geschädigten Nerven und zur Minderung von Schmerzen hilft die Gabe von Vitamin B.
Neben der Bekämpfung der Ursache können unterstützend die Schmerzen behandelt werden. So sind trizyklische Antidepressiva hilfreich in der Schmerzbehandlung. Die Gabe muss allerdings wegen der Nebenwirkungen (Müdigkeit, Sehstörungen, Mundtrockenheit, niedriger Blutdruck, Verstopfung, Harnverhalt) vom Arzt genau abgewogen werden. Eine weitere Möglichkeit der Schmerztherapie ist die Gabe von Antikonvulsiva. Dieses Medikament wird für Gewöhnlich bei Krampfanfällen eingesetzt. Es sollte nicht bei Schwangerschaft, Prostataveränderungen, Glaukom, Herzerkrankungen und Psychosen angewendet werden. Um die Symptome der Polyneuropathie zu verringern gilt es die gestörte Motorik zu fördern, die Mobilität wiederherzustellen und Durchblutungsstörungen zu verringern. Dazu dienen zum Beispiel Krankengymnastik, Bewegungsbäder, Massagen, Wärmeanwendungen, Wechselbäder und Elektrobehandlungen der gelähmten Muskeln.
Wird die Polyneuropathie frühzeitig diagnostiziert, deren Ursache erkannt und behoben, so kann diese Erkrankung mit sehr guten Erfolgen behandelt werden. Typischerweise ist die Krankheit allerdings schleichend und die Ursachen so vielfältig, dass eine vollständige Heilung nicht immer garantiert werden kann. Der Verlauf hängt außerdem von den betroffenen Organen ab. Diabetiker sollten eine kompetente Schulung zur Kontrolle des Blutzuckers erhalten. Außerdem sollten sie zu regelmäßigen Untersuchungen, wobei laborchemische und klinische Kontrollen durchgeführt werden. Darüber hinaus ist eine regelmäßige medizinische Fußpflege empfehlenswert. Um das Risiko der alkoholischen Polyneuropathie zu verringern ist auf Alkohol zu verzichten. Hierbei sind Selbsthilfe- Und Therapiegruppen hilfreich.